„Wir bauen hier keine Luftschlösser“
Die ehemalige JVA am Göttingen Waageplatz soll an einen Investor verkauft werden. Dagegen wehrt sich die Initiative Soziales Zentrum und stellt ihre eigenen Pläne vor.
Von Rob und Fred K. Rotte
Musik, Kinderschminken und vegane Küche. Dazu strahlender Sonnenschein bei Temperaturen um die 30 Grad. Am vergangenen Sonntag hat die Initiative Soziales Zentrum vor die OM10 geladen, um gegenüber der ehemaligen JVA gegen den Verkauf des ungenutzten Gebäudes zu protestieren und über die eigenen Pläne für eine alternative Nutzung zu informieren.

Das denkmalgeschützte ehemalige Gefängnis steht seit 14 Jahren leer. Immer wieder wurde seither über die Nutzung diskutiert. Nun plant die Stadt, das Gebäude an den Braunschweiger Investor trafo hub zu verkaufen, der die Immobilie für eine wirtschaftliche Nutzung aufwerten will. Über 10 Millionen Euro will trafo hub hier investieren, um einen Coworking-Space, hochpreisige Mietwohnungen und gehobene Gastronomie zu schaffen.
Gegen dieses Vorhaben hat sich Widerstand formiert. Die Anwohner*innen- Initiative Waageplatzforum, die sozialistische Jugend Die Falken und das Gesundheitskollektiv haben sich in der Initiative Soziales Zentrum zusammengeschlossen, um den Verkauf zu verhindern und das Gebäude nachhaltig und sozial zu nutzen. So will das Gesundheitskollektiv mit einem solidarischen Gesundheitszentrum in den früheren Knast einziehen. Hier soll nicht nur medizinische Grundversorgung vor Ort garantiert, sondern mit präventiven Angeboten auch den sozialen Determinanten von Gesundheit begegnet werden. Daneben geht es der Initiative insbesondere darum, einen Ort für nachbarschaftliche Vernetzung und Selbstorganisation zu schaffen. Auch Räume für Kinder sollen entstehen und nicht zuletzt ein Ausstellungsort, der dem geschichtsträchtigen Ort am Platz der Synagoge Rechnung trägt.
Auch auf die Frage nach der Finanzierung haben die Aktivist*innen eine Antwort parat. So hat die Initiative vorgerechnet, dass die gesamte Sanierung etwa5,6 Mio Eurokosten würde. Diese Summe müsste zwar von der Stadt investiert werden. Doch stehen, laut Angabe der Initiative, dafür bereits bewilligte Fördergelder aus dem Städtebauförderprogramm Soziale Stadt/Sozialer Zusammenhalt zur Verfügung, die nur noch abgerufen werden müssen. Die Stadt müsste bei Inanspruchnahme dieser Förderung nur ein Drittel der Sanierungskosten stemmen. Für die Aktivist*innen ist klar, dass der Verkauf dem Ziel einer sozialeren Stadt widerspricht. Stattdessen soll die ehemalige JVA in öffentlicher Hand verbleiben und die Nutzung im Mietverhältnis erfolgen. Durch die Mieteinnahmen würde die Stadt die zusätzlichen Investitionskosten wiedererhalten. „So tätigt die Stadt eine sichere und nachhaltige Investition“, unterstreicht eine Sprecherin der Initiative.
Mobilisierung zur Kundgebung am 7. Juli
Über den Verkauf der ehemaligen JVA sollte eigentlich bei der Sitzung des Bauausschusses am 23. Juni beraten werden. Aus für die Initiative nicht nachvollziehbaren Gründen verschwand der Punkt dann aber von der Tagesordnung und soll nun erst am Donnerstag den 7. Juli verhandelt werden. Zwar spricht der Bauausschuss eine Empfehlung aus, die Entscheidung über den Verkauf fällt dann jedoch im Stadtrat. So ist es möglich, dass eine Ratsmehrheit aus SPD, CDU und FDP den Verkauf der JVA beschließen wird. Ein solcher Beschluss würde für die Initiative einen Wortbruch bedeuten, hat sich die SPD in ihrem Kommunalwahlkampf doch noch für eine soziale Stadtplanung und gegen den Ausverkauf der Stadt an Investor*innen gestellt.Für den 7. Juli um 15 Uhr ruft die Initiative deshalb zu einer Kundgebung vor dem Neuen Rathaus auf. Auch die öffentliche Sitzung des Bauausschuss soll gemeinsam besucht werden, um mit möglichst vielen Menschen zu zeigen, dass der Verkauf der Immobilie nicht gewünscht ist.

Die leerstehende ehemalige JVA im Hintergrund soll schon bald wieder mit Leben gefüllt werden.
Die Initiative Soziales Zentrum freut sich über positive Rückmeldungen zu ihren Plänen. Eine Petition an Oberbürgermeisterin Petra Broistedt, den Bauausschuss sowie den Göttinger Stadtrat wurde inzwischen über 1500-mal unterzeichnet. Verschieden Göttinger Gruppen haben sich mit dem Projekt solidarisiert. „Die Unterstützung ist enorm! Das zeigt uns auf der einen Seite, dass die Menschen in Göttingen keinen Bock auf den Ausverkauf der Stadt haben. Aber wir sehen auch, dass wir hier keine Luftschlösser bauen, sondern das soziale Zentrum echt mit Leben füllen können”, hält eine Aktivistin fest.