Mahnwache im Gedenken an Besma A.

Vor dem Landgericht Göttingen wird derzeit die Tötung von Besma A. durch ihren Ehemann Cemal A. verhandelt. Am 29.06.2021 fand vor dem Gericht eine Mahnwache im Gedenken an Besma A. statt. (CN: Femizid)

Von Paul Quappe

Foto: Randnotiz

Hintergrund

In der Nacht zum 15.04.2020 wurde Besma A. in ihrer eigenen Wohnung in Einbeck getötet. Die 27-jährige verstarb an ihren Verletzungen durch einen Pistolenschuss, der von ihrem Ehemann abgefeuert wurde. In der Vernehmung gab der Täter an, dass es ein Versehen gewesen sei. Er habe lediglich seine Waffe reinigen wollen, woraufhin sich der Schuss gelöst habe. Nach seiner Festnahme wurde er bereits nach wenigen Stunden entlassen, da er unter massivem Alkoholeinfluss stand und nicht haftfähig gewesen sei.

Daraufhin initiierten die Frauenbegegnungsstätte UTAMARA e.V. und der Dachverband des Ezidischen Frauenrats einen offenen Brief an Bundes- und niedersächsische Behörden. Die über 150 Unterzeichner*innen, darunter feministische Initiativen und Angehörige von ermordeten Frauen, kritisieren eine Verharmlosung des Verbrechens und fordern lückenlose Aufklärung. Sie geben an:

„In Deutschland kommt es jeden Tag zur versuchten Tötung einer Frau durch Männer in ihrem engen sozialen Umfeld – meist den Partner oder Ex-Partner. Jeden 2.-3. Tag stirbt eine Frau durch diese Gewalt. (…) Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung als Frauenberatungsstellen wissen wir, dass die Tötung der Ehefrau im eigenen Haushalt mit einer illegal erworbenen Waffe kein Versehen ist.“

Im September 2020 kam es zur erneuten Festnahme des Ehemanns. Die Staatsanwaltschaft klagte diesmal wegen Mordes und unerlaubten Waffenbesitzes: Die Ehe sei belastet gewesen, dem Angeklagten sei es darum gegangen, seine Frau loszuwerden, ohne das Sorgerecht für die drei Kinder zu verlieren.

Im Januar 2021 wurde das Verfahren eröffnet. Der Angeklagte entschuldigte sich kurz in einem Satz und schweigt seitdem beharrlich. Als Nebenklägerinnen treten die Mutter von Besma A. sowie eine ihrer Schwestern auf. Beide wurden auch als Zeuginnen befragt. Die Schwester beschrieb den Alltag von Besma A.: Diese sei sehr unglücklich in ihrer Ehe gewesen, habe sich „wie in einem Gefängnis gefühlt, wie eine Dienerin“, wird sie von leinetal24.de zitiert. Ihr Mann sei mehrfach gewalttätig gegen sie geworden. Als sie endlich beschlossen habe, sich scheiden zu lassen, habe er sie mit dem Tod bedroht, so die Aussagen der Schwester.

Eine detaillierte Berichterstattung zu den einzelnen Verhandlungstagen findet sich auf http://www.leinetal24.de unter dem Suchwort „Besma“.

Solidarisches Gedenken

Um den Prozess zu begleiten, haben sich Personen aus verschiedenen feministischen Initiativen und Frauenbegegnungsstätten zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengefunden. Sie schreiben:

„Wir benennen die Tötung von Besma A. als Femizid, als Tötung einer Frau, weil sie eine Frau in einer patriarchalisch strukturierten Gesellschaft ist. Denn es handelt sich nicht um einen Einzelfall, sondern um eine Tat, die in ein System patriarchaler Gewalt gegen cis- und trans-Frauen sowie Personen, die als solche gelesen werden, einzuordnen ist, in welchem die Auslöschung des Lebens den Höhepunkt der alltäglichen Gewalt darstellt.“

In der Mahnwache vor dem Gericht wird Besma A. gedacht. Die Teilnehmer*innen halten Bilder von Besma A. und stehen schweigend vor dem Gerichtsgebäude. Blumen und Kerzen sind auf dem Boden angeordnet. Auf Schildern steht „#keinemehr“. Es gehe darum, auf diese Weise Solidarität mit Besma zu zeigen, so eine Teilnehmerin. Dies sei auch ein Zeichen für die Familie der Getöteten, für die der Prozess eine enorme Belastung darstelle.

Foto: Randnotiz

Die Prozessbegleiterinnen kritisieren, wie das Verfahren geführt wird. So sei die Übersetzung für die Schwester mangelhaft, teilweise würden Übersetzungsversuche unterbunden, da die verhandelten Informationen angeblich unwichtig für sie als Zeugin seien – dabei ist sie auch Nebenklägerin. Zudem dominiere die Verteidigung die Verhandlungen in einer inakzeptablen Weise. Sie würde systematisch versuchen, die Schwester von Besma A. unglaubwürdig zu machen. So muss diese trotz Fotobeweisen darum kämpfen, dass die Gewalterfahrungen, die ihre Schwester in ihrer Ehe machte, als solche anerkannt werden. Auch dass der Kontakt zwischen Besma A. und ihrer Schwester teilweise gering war wird als Argument gegen sie angeführt – obwohl der Ehemann genau diesen Kontakt verbot.

„Es fehlt dem Gericht die Sensibilität für patriarchale und rassistische Strukturen.“, stellt Nele Möhlmann vom UTAMARA e.V. fest. Vor diesem Hintergrund zeigt sie sich skeptisch, was den Ausgang dieses Verfahrens angeht. Zwar sei die Istanbul-Konvention von Deutschland ratifiziert worden, zu einer vermehrten Sensibilierung für patriarchale Strukturen im Recht habe dies jedoch offensichtlich nicht geführt.

Emma(*) von der Initiative gegen Femizide Göttingen, die ebenfalls in der Prozessbeobachtung aktiv ist, ordnet die Verhandlung ähnlich ein: „Die deutsche Rechtsprechung ist nach wie vor patriarchal“. Dies zeige sich auch in der Art und Weise, wie Femizide im Recht verhandelt werden. Beispielhaft verweist sie auf ein Urteil des BGH, wonach ein Trennungswunsch als gegen das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe sprechend gewertet wird. Dabei wird dabei außen vor gelassen, dass bei Intimpartnerfemiziden ein Trennungswunsch ein Indiz für einen Femizid darstellt.

Die Verharmlosung und Entpolitisierung von Tötungsdelikten an Frauen werden auch in diesem Fall deutlich, so die Prozessbegleiterinnen. Der Fall erfahre zudem kaum Aufmerksamkeit, die öffentlichen Verhandlungen würden von der Einschüchterungsstrategie der Verteidigung dominiert, im Saal säßen mehrheitlich die Angehörigen des Täters. Auch deshalb ist die Prozessbegleitung ein bedeutendes Signal, meint Emma: „Es ist sehr wichtig, dass wir als Feministinnen zusammenstehen und uns nicht einschüchtern lassen!“ 

(*) Name geändert