Zelten für grenzenlose Solidarität
Mit einem Camp auf dem Marktplatz protestierte das Bündnis „Lager auflösen jetzt!“ gegen EU-Grenzpolitiken und forderte einen radikalen Gesellschaftswandel.
Von Conni Lingua

Blick auf das Protestcamp vor dem Alten Rathaus. Foto: Links Unten Göttingen
Unter dem Motto „EvacEUate Now“ fanden am Wochenende des 8. und 9. Mai überregional Aktionen gegen die menschenrechtswidrige Behandlung von Flüchtenden an den EU-Außengrenzen statt. In Göttingen hatte das Bündnis „Lager auflösen jetzt!“ zu einer Kundgebung am Gänseliesel aufgerufen. Hier verkündete es am Samstagnachmittag die Besetzung des Marktplatzes mit einem Protestcamp. „Wir fordern die sofortige Evakuierung der Lager an den Außengrenzen, sichere Fluchtrouten, und eine menschenwürdige Aufnahme aller Flüchtenden in die EU!“, betonte Aktivistin Valea Radu. Etwa zwanzig Zelte sowie zahlreiche Transparente verliehen diesen Forderungen Ausdruck.
In Redebeiträgen schilderte das Bündnis die katastrophale Situation für Geflüchtete in Lagern und kritisierte die Grenzpolitiken der EU scharf. „Die EU hindert geplant und oft mit brutaler Gewalt Menschen daran, ihr Recht auf Asyl wahrzunehmen“, sagte Radu. So häufen sich Aussagen über illegale Pushbacks, bei denen Sicherheitskräfte Flüchtende gewaltsam aus dem Schengen-Raum zurückgedrängen. Auch Hinweise auf eine Kooperation zwischen Frontex und der lybischen Küstenwache verdichten sich, wie unter anderem das Monitor-Magazin Ende April darlegte.
Internationalismus statt Abschottung
Am Abend zeigten Campteilnehmer*innen Filme, die das Leben Geflüchteter in Lagern an der EU-Außengrenze dokumentieren. So berichtete unter anderem die Aktivist*in und Geflüchtete Parwana Amiri über den Bau eines drei Meter hohen Zaunes um das Lager Moria und über die verheerenden hygienischen Bedingungen zu Zeiten der Covid-19-Pandemie. Sie schilderte erfolgreich verlaufenen Proteste der Geflüchteten gegen die Zustände im Camp und betonte die Notwendigkeit solidarischen Handelns für das Erzielen politischer Veränderungen.
Valea Radu unterstrich: „Wir werden uns weiter mit allem was wir haben für eine solidarische Gesellschaft jenseits von Rassismus und kapitalistischer Ausgrenzung einsetzen!“. Als im Verlauf des Abends ein Demonstrationszug zur Unterstützung der Proteste in Kolumbien am Marktplatz verbeikam, solidarisierten sich Demonstrations- und Protestcampteilnehmer*innen miteinander. Einige Demonstrierende verweilten auch noch zum Unterhalten und Filmschauen im Camp. Gemeinsam hielten beide Gruppen fest, dass der Kampf gegen Repressionen und Ungleichheiten internationalistisch ausgefochten werden müsse. „Solange nationalstaatliche Grenzen bestehen, werden immer wieder Menschen auf der Flucht verprügelt, entwürdigt, kriminalisiert und getötet“, schilderte Radu. Das Bündnis „Lager auflösen jetzt!“ stehe daher auch für ein Zusammenleben ohne Nationalstaaten ein.

Filmscreening am Abend. Bild: Links Unten Göttingen
Mit einer Kundgebung endete das Protestcamp am Sonntagnachmittag. Bis zu diesem Zeitpunkt blieben immer wieder Passant*innen stehen, um sich über Anliegen und Hintergrund der Aktion zu informieren. Mehrere Gruppen unterstützten das Camp – darunter das Rojava Soli Bündnis Göttingen, die Gira Zapatista- Regionalvernetzung sowie die Soliküche, die unter Einhaltung der Coronaschutzmaßnahmen delikate Falafeltaschen zubereitete und verteilte. Links Unten Göttingen hielt das Protestcamp fotografisch fest. Weitere Eindrücke von der bundesweiten Aktion lassen sich auf Social Media Kanälen unter den folgenden Hashtags finden: #evacEUateNow, #NoCampsNowhere und #LagerAuflösenJetzt!.